Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie.
Jesaja 11,6
Ein ulkiges Bild: Tiere, die sich sonst fressen, sind die besten Freunde und kuscheln vielleicht sogar miteinander. Und ein Löwe frisst gemeinsam Gras mit der Kuh. Vielleicht tauschen sie sich sogar aus, wie es schmeckt. Und ein kleines Kind ist der Chef dieser illustren Gruppe. Absurd! Ein großes Narrenspiel – als wäre jetzt Karneval und nicht Weihnachten.
Oder aber: wir haben verlernt, wie absurd Weihnachten eigentlich ist!
Denn es dreht ganz schön etwas um in der Ordnung, die sonst so gilt unter uns: Hierarchien werden von den Füßen auf den Kopf gestellt; Menschen am Rande rücken in den Mittelpunkt und die Mächtigen müssen am Rande mitspielen und verstehen gar nicht, was mit ihnen passiert – und ein kleiner Knabe wird sie leiten.
Das geht vielleicht manchmal unter: nicht nur im Vor-Weihnachtsstress, sondern auch in unserer Realität. Denn die ist ja nun gerade davon geprägt, dass es noch immer so ist, wie es ist. Und noch nicht so anders, wie Gott es uns versprochen hat.
Dennoch möchte ich ihn nicht missen, den Knaben, der mich leiten wird. Den Knaben, der die Verhältnisse auf den Kopf stellt. Den Gott, der unser Freund wird. Denn im Gegensatz zu dem, was ich sonst immer höre, im Gegensatz zu dem, was sich die Klugen und Mächtigen dieser Welt so gedacht haben, hat er noch eine andere Botschaft. Eben die des Knaben, der der Chef einer friedlichen Gruppe sonst einander feindlicher Tiere ist. Die des Knaben, der sich erst einmal den Weg ins Leben suchen muss – so von seiner Krippe aus.Und deswegen weiß, wie er zu uns sprechen muss.
Und er sagt zu mir Worte, die mich stark machen, die mich aufbauen. Worte, in denen es nicht um Gedanken und Lösungen anderer Menschen geht, in denen es auch nicht um die Macht und Herrlichkeit Gottes selbst geht, sondern um uns und was uns im Innersten bewegt. Worte, die uns Mut machen, eigeneWege im Leben zu finden.
Deswegen kommt er in unsere Welt, wird unser Mitbewohner – als Mensch unter Menschen. Und er redet nicht von oben herab mit uns, sondern ganz anders: liebevoll, kreativ und ungewöhnlich – wie es sich schon in seiner Idee zeigt, in einem Stall auf die Welt zu kommen. Denn er zieht nicht als großer, mächtiger Mensch bei uns ein, sondern als Kind in der Krippe – klein und unscheinbar – und wird eben damit der Größte.
Pfarrer Thomas Jäger