„Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren und sollst dich fürchten vor deinem Gott; ich bin der Herr.“ 3. Mos. 19,32
(fürchten meint hier nicht Angst haben, sondern steht für Ehrfurcht)
Alt werden will jeder, alt sein niemand. Menschen auf der Höhe des Arbeitslebens freuen sich oft auf das Ende des Arbeitenmüssens, auf den sogenannten Ruhestand, um Versäumtes oder immer Erträumtes nachzuholen. Ist es dann soweit, fällt so Mancher erstmal in ein schwarzes Loch, fühlt sich sinn- und ziellos am Rande des Geschehens. Der Radius des Lebens wird kleiner.
Der Körper funktioniert nicht mehr so, wie man will. Das Gehen wird beschwerlicher, Augenlicht, Gehör, und auch das Gedächtnis lassen nach, was allmählich den Kontakt zur Außenwelt reduziert. Dafür wird der Bezug zur Innenwelt stärker. Erinnerungen treten lebendig ins Bewusstsein, so als wären die Ereignisse gestern erst gewesen. Oft höre ich den Satz: „Jetzt weiß ich, wie sich meine Mutter gefühlt hat. Damals konnte ich das nicht verstehen.“
Der altgewordene Mensch fragt sich bei aller Dankbarkeit für die vielen Hilfen, die es heute und hierzulande gibt, warum man auf einmal nicht mehr so kann wie gewohnt und gewollt. Leider wächst mit zunehmenden Alterserscheinungen die Gefahr der Vernachlässigung oder gar Verachtung. Dem entgegen steht die Achtung vor dem Erfahrungsschatz der Alten. Älteste nahmen oft wichtige Führungs- und Beratungspositionen ein. Es gibt den Ältestenrat des deutschen Bundestages. Und doch ist die inflationäre Entwertung des Alters unübersehbar.
Wer die längste Lebenszeit hinter sich hat, ist nicht nur reich an Erfahrung, sondern auch an menschlichen Begegnungen. Man weiß, was misslungen ist und dass man nicht selbst alles wieder gut machen kann. Um so mehr wird Gottes Vergebung dankbar wahr- und angenommen. Und wer sagen kann, dass es der Herr recht gemacht hat, der wird auch im Alter blühen, fruchtbar und frisch sein. Denn er hat erfahren, das Gott ein Fels ist, der trägt. Diese Lebenszuversicht, man kann dazu auch Weisheit sagen, verleiht dem Alter seine Schönheit und Würde und macht die alten Menschen wertvoll für die Jungen.
Was ist die größte Kunst auf Erden?
Mit frohem Herzen alt zu werden.-
zu ruhen, wo man schaffen möchte,
zu schweigen, wo man ist im Rechte,
zu hoffen, wo man am Verzagen,
gehorsam, still sein Kreuz zu tragen
und neidlos andere zu sehen,
die rüstig ihren Weg so gehen;
die Hände in den Schoß zu legen
und sich in Ruhe lassen pflegen.
Und trotz des Wissens, wir als die Alten,
können doch noch Hände falten,
und können beten für all unsre Lieben,
die uns von Gott geschenkt geblieben.
Diesen Dienst können wir tun,
auch wenn die Hände im Schoße ruhn.
(mündlich überliefert)
Monika Günther
« Glaube • Habt Salz in euch »