Du stellst meine Füße auf weiten Raum

(Ps.31,9)

Als Podologin befasse ich mich täglich mit Füßen. Deshalb liebe ich auch Bibelworte, in denen es um Füße geht. Es sind im Alten Testament 116 und im Neuen Testament 57 solcher Bibelstellen. Viele im Alten Testament beziehen sich allerdings auf die Füße der Bundeslade und den Tempelbau. Worte sind „Schall und Rauch“, sagt der Volksmund. Das stimmt nur bedingt, meine ich. Worte haben eine Wirkung und eine Kraft, sie können traurig machen oder trösten, und sie können verletzen und verstören, aber auch Mut machen und motivieren. Sie können in unserer Seele Zerstörerisches anrichten.

„Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ Diese Worte aus dem 31. Psalm lassen vor meinem inneren Auge Hoffnung erstehen. Hoffnung auf Freiheit! Ich sehe vor mir das offene Meer, weite Fluren, Berge und Täler. Urlaubserinnerungen werden wach. Wege, die hinausführen aus der Enge der eigenen Wohnung, nach Krankheit oder Quarantäne. Wege aus der Enge der Gemeinde oder des Dorfes. Wege, die hinausführen in die Weite der Schöpfung Gottes. Vielleicht sogar aus der Enge des eigenen Ich.

„Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ Dieses Wort malt das Bild der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Ich verstehe aber auch, das der weite Raum Menschen Angst machen kann. Diese Weite finden empfinden manche Menschen nicht verlockend, eher bedrohlich. Sie ziehen die Geborgenheit des Vertrauten vor. Tradition und Normen, wie es von je her war.

Dieser weite Raum erscheint als Raum des Fremden, der Raum des ständigen Sichentscheidenmüssens, ungewiss und überfordernd. Keine Verheißung, sondern eher eine Drohung. Und doch ist das Wort des Psalmsängers in bildhafter Sprache eine Grunderfahrung unseres Glaubens. Gott kann uns aus Bedrängnis herausführen und befreien, so dass wir unser Leben wie einen weiten Raum der Freiheit erleben. Martin Luther hat diesen Zusammenhang auf den Punkt gebracht, wenn er sagt: „Wie die Not der enge Raum ist, der uns bedrückt und traurig macht, so ist die Hilfe Gottes der weite Raum, der uns frei und fröhlich macht.“

Monika Günther

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